Es gehört sowohl zum Grundwissen eines Jägers, sowie auch zum Alltag eines angehenden Jungjägers: Die Geweihentwicklung eines Rehbocks. Trotz der scheinbaren Selbstverständlichkeit kommt mir immer wieder das Gefühl auf, im Gegensatz zu den anderen Cerviden (Geweihträger), die Entwicklung des Geweihs, dass man beim Rehbock normalerweise Gehörn nennt, nicht als ein so natürliches Wissen vorhanden ist, wie es allem Anschein nach vorhanden sein sollte. Ich habe mich im Laufe des Jagdscheins recht viel mit dem Thema auseinandergesetzt und möchte hiermit etwas Licht ins Dunkle bringen.
Der Rehbock beginnt ungefähr 3 bis 4 Monate nach seiner Geburt (Setzzeit Mai/Juni), also etwa im August/September, sein sogenanntes Erstlingsgehörn zu schieben. Dieses wird bereits wenig später im Dezember/Januar verfegt und nur kurze Zeit danach etwa im Januar/Februar abgeworfen. Direkt im Anschluss beginnt der Kitzbock sein zweites Geweih („Gehörn“) zu schieben, welches im Mai/Juni verfegt wird und damit fertiggestellt ist. Danach geht der junge Bock in den normalen Rhythmus der Gehörnentwicklung über.
Ablauf der Geweihbildung beim Rehbock
Nachdem der Kitzbock, wie im ersten Kapitel beschrieben, sein Erstlingsgehörn abgeworfen hat, beginnt er sein neues Gehörn zu schieben und geht so in den „normalen Rhythmus“ über. Diesen kann man sich wie folgt herleiten: Durch die Funktion des Gehörns beim Rehbock, also der Reviermarkierung im Frühjahr („Der Rehbock macht Frühjahrsputz“), weiß man, dass das Gehörn etwa im April/Mai fertiggestellt sein muss. Da die Geweihbildung bei allen Cerviden ungefähr fünf Monate dauert, kann man nun zurückrechnen und kommt darauf, dass die Böcke circa im November ihr Gehörn abwerfen und anschließend ihr neues schieben.
Die genauen Zeitpunkte sind vom Alter des Bocks abhängig. Nach der Regel „Alt fegt vor Jung“ lässt sich erahnen, dass ältere Böcke ihr Gehörn früher schieben, verfegen und auch abwerfen, als jüngere Böcke.
Unterschiede zu anderen Cerviden (Geweihträgern)
Die Entwicklung des Gehörns beim Rehbock unterscheidet sich insofern von dem anderer Geweihträger, dass der Rehbock sein Erstlingsgehörn bereits im Herbst des ersten Lebensjahres schiebt. Das machen andere Schalenwildarten, die auch Geweihe bilden, wie beispielsweise das Rotwild, nicht.
Was sind Rosen beim Geweih (Gehörn) des Rehbocks?
Als Rosen werden beim Rehbock die Verdickungen am unteren Ende des Gehörns genannt.
Sie bilden sich erst ab dem zweiten Gehörn des Bocks, das Erstlingsgehörn besitzt also keine Rosen.
Kann man das Alter des Rehbocks an dessen Gehörn erkennen?
Es gibt keine Möglichkeit, das Alter des Rehbocks genau zu bestimmen, außer mit einem Blick auf dessen Zähne. Der doch eigentlich so naheliegende Mythos, an den leider aus meiner Erfahrung heraus auch immer noch viele Jäger glauben, ist die Größe des Geweihs und die Anzahl der Enden kein verlässlicher Hinweis auf das Alter des Rehbocks. Die Größe und Beschaffenheit des Gehörns ist abhängig von der Ernährung und der Veranlagung des Rehbocks und hat keinerlei Aussagekraft bezüglich des Alters.
Nichts desto trotz, kann das Gehörn einige Hinweise auf das Alter des Rehbocks geben, aber eben nicht durch Größe oder Anzahl der Enden. Verfügt das Gehörn des Rehbocks beispielsweise über Rosen, so kann schon mal ausgeschlossen werden, dass es sich um sein Erstlingsgehörn handelt. Ein Rehbock an dessen Gehörn Rosen erkennbar sind, muss also mindestens ein Jährling sein. Sind die Rosen stark ausgeprägt, so gibt dies ebenso einen Hinweis darauf, dass der Bock bereits etwas älter ist.
Was ist ein Knopfbock?
Als Knopfbock bezeichnet man einen jungen Rehbock, der wegen schlechter Veranlagung oder mangels Nahrungsangebot, sein Erstlingsgehörn nicht abwirft, sondern die „Knöpfe“ weiterhin trägt.
Zu der normalen Geweihentwicklung des Rehbocks hatte ich anfangs erwähnt, dass der Kitzbock nachdem er sein Erstlingsgehörn etwa im Januar/Februar abgeworfen hat, sofort sein zweites Gehörn schiebt. Das Erstlingsgehörn ist bis dahin natürlich noch nicht vollständig ausgebildet, er wirft also praktisch nur ein halbfertiges Gehörn ab, eben die „Knöpfe“.
Bei einer schlechten Veranlagung oder bei einem mangelhaften Nahrungsangebot für den jungen Bock kann es vorkommen, dass dieser sein Erstlingsgehörn nicht abwirft, sondern weiterhin die Knöpfe auf dem Haupt trägt. Dies nennt man einen Knopfbock. Unter Umständen kann es auch bei überalterten Böcken vorkommen, dass diese nur Knöpfe tragen, welche dann allerdings Rosen aufweisen und somit deutlich von den Kitzböcken zu unterscheiden sind.
Zu einer schlechten Veranlagung können beispielsweise Krankheiten oder ein erhöhter Bestand an Rehwild gehören. Treten Knopfböcke regelmäßig auf, so sollte der Rehwildbestand in dem entsprechenden Revier vermindert werden, um den Lebensraum für das Rehwild attraktiver zu gestalten.
Bezeichnung des Gehörns
Nachdem das Erstlingsgehörn des Kitzbocks nur Knöpfe aufweist, verfügt das zweite Gehörn nicht selten über insgesamt 6 Enden. Daher nochmal der Hinweis, die Anzahl der Enden treffen keine Aussage über das Alter des Rehbocks.
Ein Gehörn mit jeweils einem Ende pro Seite bezeichnet man als Spießer. Dies ist das „kleinste“ mögliche Gehörn eines Rehbocks.
Das nächstgrößere Gehörn mit jeweils zwei Enden pro Seite bezeichnet man als Gabler.
Danach wird es einfacher: Bei jedem weiteren Ende pro Seite wird die Gesamtzahl der Enden genannt und die Endsilbe -er angehängt. Ein Bock mit drei Enden pro Seite wäre somit ein 6er, einer mit vier Enden ein 8er, und so weiter.
Eine Unterscheidung wird dabei allerdings noch vorgenommen: Tritt eine unterschiedliche Anzahl an Enden pro Seite auf, so wird die höhere Zahl genommen und das Gehörn wie im vorherigen Satz erwähnt, bezeichnet, allerdings als ungerade. Beispielswiese wird ein Rehbock mit zwei Enden an einer Stange und drei Enden an der anderen als ungerader 6er bezeichnet (höhere Anzahl an Enden ist die drei, wegen unterschiedlicher Anzahl an Enden allerdings „ungerade“). Bei einer gleichen Anzahl an Enden würde man also auch zum Beispiel „gerader 6er“ sagen.
Allgemein ist dazu zu sagen, dass 8er Böcke in der Regel schon recht selten sind, und ich persönlich etwas darüber, also ein 10er Bock, noch nie gesehen, geschweige denn davon gehört habe. In der Praxis kommen Spießer, Gabler und 6er nach meiner Ansicht am häufigsten vor.